Vom Hobby zum Beruf: Wie die Leidenschaft fürs Entwickeln und Forschen zur Berufswahl führt
Tobias Gerbracht, zweimaliger Gewinner des Bundeswettbewerbs Jugend forscht und Dozent an der Junioruni, studiert Industrial Design an der Bergischen Universität
Das Bergische Schultechnikum (zdi-Zentrum BeST) kann ein wichtiger Wegbereiter in eine wissenschaftlich orientierte Zukunft sein. Das jedenfalls ist die Erfahrung von Tobias Gerbracht, der sich bereits als Schüler über das Internet erkundigte und an den dort stattfindenden Kursen teilnahm. „In der Schule lernt man nach dem vorgegebenen Lehrplan. Aber man hat als Schüler gewisse Interessen, die in der Schule nicht abgedeckt werden“, erklärt er, „es bringt nichts, wenn man nur theoretisch etwas weiß, man muss es auch praktisch umsetzen können“. Über das Bergische Schultechnikum bekam er Kontakte zu Firmen und belegte diverse Kurse, in denen der damals Dreizehnjährige Bleche zuschnitt, Materialien fräste und drehte oder gar eigene Konstruktionen entwickelte. Dadurch gewann er auch schnell eine Vorstellung über den Arbeitsalltag beispielsweise eines Elektronikers oder Mechanikers. „So habe ich über die Jahre festgestellt, wo ich später hinmöchte.“ Gleichzeitig lernte er viele motivierte junge Leute kennen, mit denen er sich austauschen konnte.
Zweimaliger Gewinner des Bundeswettbewerbs Jugend forscht
Kaum zu glauben, dass der Wuppertaler Gymnasiast zwei Jahre in Folge - noch dazu in unterschiedlichen Kategorien - den Bundeswettbewerb Jugend forscht gewann, an dem jährlich über 12.000 Jugendliche teilnehmen.
2016 wurde er für den Bau eines „Augmented-Reality-Projektors für innovatives Visual Marketing“ ausgezeichnet. „Die holografische Darstellung kennt man ja bereits von Science-Fiction-Filmen wie Iron Man oder Star Wars. Aber das war mir alles noch zu weit in der Zukunft“, sagt er, „und ich habe mir überlegt, wie man mit aktueller Technik die Dinge aus den Filmen schon heute möglich machen kann.“ Ihm zur Seite am Carl-Fuhlrott-Gymnasium stand sein ehemaliger Lehrer, Michael Winkhaus, der den jungen Erfinder unterstützte und förderte. Der „Augmented Reality-Projektor“, den Tobias Gerbracht bereits vor der Einführung der Microsoft Mixed Reality-Brille HoloLens entwickelte, ermöglicht das Übereinanderlegen von realem Material und virtuellem Bild ohne Nutzung einer Brille. „Digitale Modelle werden im wahrsten Sinne des Wortes greifbar und ermöglichen dadurch ein effizienteres Konstruieren.“ In Zusammenarbeit mit dem 3D-Netzwerk in Solingen hat er bereits einen weiteren Prototyp seines Projektors im 3D-Druckverfahren erstellt. Damit könnten die Produktionskosten um mehrere tausend Euro pro Stück gesenkt werden.
Für mich geht es immer um den Spaß am Forschen
Und dieses Forschen ist bei Tobias Gerbracht interdisziplinär. Das zeigt auch sein zweiter Jugend forscht-Bundessieg von 2017 für eine Methode, die Luftverschmutzung zu messen. Dabei kommt ihm seine kritische Haltung gegenüber Meldungen der Presse zugute. „Die Autoindustrie, das Thema Schadstoffe, die Luftverschmutzung etc., man hört im Fernsehen nur, ja, da gibt es Probleme und diese müssen angegangen werden. Man kommt aber nicht an wirklich fundierte Informationen heran und ich wollte gerne wissen, wie schlimm die Lage wirklich ist.“
Also beschloss er, die spektroskopischen Messinstrumente der Schülersternwarte auf dem Dach des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums umzufunktionieren und für die Lösung irdischer Probleme zu nutzen. Angelehnt an ein Verfahren der Universität Heidelberg entwickelte er eine innovative Messvorrichtung für ein flächendeckendes Umweltmonitoring. So ließen sich z.B. die Stickoxidbelastungen am Hahnerberg, Lichtscheid oder über Ronsdorf sehr genau detektieren, ebenso wie die zeitliche Veränderung über den Tag. Die Auswertung der Messergebnisse wurde von Atmosphärenforschern der Bergischen Universität begleitet, woraufhin Tobias Gerbracht sein Projekt im „Physikalischen Kolloquium 2017“ präsentieren durfte.
Ich suche die Vielseitigkeit
Seit dem Wintersemester 2017/2018 ist der 20jährige in der Fakultät Design und Kunst in den Studiengang Industrial Design eingeschrieben. „Ich habe mir lange Gedanken über die richtige Studienwahl gemacht. Meine Interessensgebiete konnte ich mit den einzelnen Studiengängen Maschinenbau oder Physik nicht abdecken, denn ich möchte gerne innovative Produkte entwickeln, die nicht nur funktionieren, sondern auch gut aussehen. Ich sehe mich also eher als eine Art Produktdesign-Ingenieur und möchte mehrere Disziplinen beherrschen. Mein Studiengang bietet eine sehr praxisorientierte Kombination aus Technik und Design mit der Möglichkeit, das Masterstudium Strategische Produkt- und Innovationsentwicklung anzuschließen. Hier kann ich meine Leidenschaft fürs Entwickeln und Forschen unter Gleichgesinnten ausleben.“
Als Werkstudent bei der Firma Schmersal konstruiert Tobias Gerbracht mittlerweile Produkte und berücksichtigt dabei sowohl funktionale als auch ästhetische Aspekte. Durch ein Praktikum gelangte er zu der Wuppertaler Firma, die Sicherheitsschaltgeräte für den industriellen Bereich herstellt. Begeistert berichtet Gerbracht: „Ich durfte in die Bereiche Elektronik, Mechanik und Fertigungssupport hineinschnuppern und mir war sofort klar, dass ich gerne in dieser Firma arbeiten möchte! Ich hatte dann das große Glück, in der Konzeptentwicklung eingesetzt zu werden, denn es macht nicht nur sehr viel Spaß, mit dem Entwicklungsteam neue Ideen umzusetzen, sondern es ist unheimlich interessant zu lernen, welche Prozesse ein industrielles Produkt vom ersten Entwurf bis zur Massenfertigung durchläuft.“
Aber Tobias Gerbracht lernt nicht nur, sondern hat auch Spaß daran, sein Wissen weiterzugeben: Als Dozent an der Junior-Uni Wuppertal bringt er Schülern verschiedener Altersgruppen das dreidimensionale Konstruieren am PC bei. „Die Kursteilnehmer entwickeln z. B. ihr eigenes Auto oder ihren Traumarbeitsplatz und können ihre Modelle anschließend virtuell mithilfe einer VR-Brille begutachten.“
Erfindungen mit Hilfe der eigenen Ideendatenbank
Viele seiner Überlegungen entstehen durch Situationen, in denen ein Problem auftritt. Tobias Gerbracht gehört aber nicht zu denen, die sich einfach nur darüber ärgern und es hinnehmen, sondern er denkt direkt über Lösungen nach und stellt sich dabei auch immer die Frage, ob es einen Markt dafür gibt.
Jüngstes Beispiel dafür ist die unzureichende Parkplatzsituation an der Universität, die er durch die Nutzung seines Einrades zu umgehen versucht. Daraus hat sich jetzt das Problem entwickelt, dass ein Einrad auch nur einen Gang hat, wodurch die Fahrgeschwindigkeit begrenzt wird. Dies wiederum führte dazu, dass der Einrad-Downhill-Fahrer nun über die Entwicklung einer Gangschaltung nachdenkt, da es diese für Einräder noch nicht gibt.
Dabei greift er auf seine, wie er sagt, Ideendatenbank zurück, in der er alles archiviert, was er aus seinen umfangreichen Projekten und Praktika gelernt, gesammelt und als wichtig erachtet hat. „Darauf kann ich immer zurückgreifen. Da liegen auch schon Konzepte, die ich in Zukunft angehen möchte. Mein Traum ist es, innovative Produkte zu entwickeln, die tatsächlich auf den Markt kommen, wobei ich nicht nur für die Entwürfe, sondern für den gesamten Fertigungsprozess zuständig sein möchte.“
Bewusste Entscheidung für ein Studium in Wuppertal
Neben der Uni hat Tobias Gerbracht aber auch noch viel Platz für andere Dinge. Freizeitaktivitäten wie „Klettern gehen, Downhill, Kiten, Freunde treffen“, sind ihm wichtig, und auch die bewusste Entscheidung für Wuppertal hat naheliegende Gründe. „Als kleines Kind habe ich immer davon geträumt, in einer Großstadt zu leben. New York oder so was. Dann war ich da und habe bei mittlerweile vielen Auslandsaufenthalten festgestellt, dass das doch nichts für mich ist. Hier in Wuppertal kann ich auf kurzem Wege alles super kombinieren: das Studium, die Werkstudententätigkeit, den Dozentenjob, meine Freizeit. Und ich persönlich schätze die Qualität des Studiums in Deutschland!“
Das Besondere am Industrial Design Studium an der Bergischen Universität Wuppertal ist, dass man seine Kreativität zunächst in einem Bewerbungsverfahren –dazu reicht man eine Mappe mit eigenen Projekten ein - unter Beweis stellen muss, weil die Abiturnote hier keine Aussagekraft hat. Danach wird entschieden, ob man angenommen wird oder nicht.“
Der zukünftige Wuppertaler Industrial Designer ist bereits jetzt gut vernetzt und findet an der Bergischen Universität optimale Arbeitsbedingungen. Besonders das Arbeiten in Kleingruppen schätzt er und sagt abschließend: „Wir sind eine Gruppe von 25 Gleichgesinnten, was ein fast schon familiäres Zusammensein ermöglicht. Das ist das, was ich möchte: In einer kleinen Gruppe in einer angenehmen Lernatmosphäre effektiv arbeiten. Ich bin sehr zufrieden, dass ich hier bin.“
Uwe Blass (Gespräch vom 14.06.2018)