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Wie schützt man Menschen, die in der Corona-Krise helfen wollen?

Marina Bier / Sicherheitstechnik
Foto: UniService Transfer

Die Wuppertaler Sicherheitstechnikerin Marina Bier entwickelt sichere Handlungshilfen für Spontanhelfer
Die größte Pandemie der Menschheit in der Neuzeit ist mit dem Wunsch vieler verbunden, zu helfen, wo man nur helfen kann. Aber auch Helfer müssen geschützt werden, denn das Coronavirus infiziert alle Personen, die sich zu nahe kommen.
An diesem Punkt kommt die Sicherheitstechnikerin Marina Bier ins Spiel, die ein Projekt leitet, in dem Handlungshilfen für den sicheren Einsatz von sogenannten Spontanhelfern entwickelt werden.

Sommeruni an Bergischer Universität bringt Entscheidung
Die gebürtige Düsseldorferin kam über das Angebot der Sommeruni, welches jedes Jahr für Mädchen in MINT-Fächern angeboten wird, um die Attraktivität der Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik für junge Frauen zu steigern, zur Sicherheitstechnik an die Bergische Universität. „Die haben das natürlich auch ganz geschickt mit allen möglichen Brand- und Explosionsversuchen vorgestellt. Und da ist man als Jugendlicher auch immer sehr neugierig drauf“ erzählt sie lachend. Eine kurze Hospitation im Bereich Arbeitsschutz führt schließlich zur klaren Studienentscheidung für Wuppertal. Schon im Bachelorstudium kommt die engagierte Studentin mit dem Fachgebiet Arbeitssicherheit in Kontakt und arbeitet als studentische Hilfskraft mit. „Da habe ich an einem Arbeitsschutzprojekt für die Bundeswehr mitgearbeitet“ erzählt sie „und bekam dann während des Masters auch schon das Angebot, nach Abschluss des Studiums über ein neues Projekt hier weiter zu arbeiten.“

WuKAS, eine perfekte Kombi aus Bevölkerungs- und Arbeitsschutz
„Das ist das Schöne an der Sicherheitstechnik,“ schwärmt sie, „dass man auch fachlich sehr spannende Schnittstellen zu anderen Themenfeldern rund um die Risikoproblematik integrieren kann.“ Das neue, auf zwei Jahre angelegte Projekt ist so eine wunderbare Schnittstelle mit der Möglichkeit, die Inhalte für eine Promotion zu nutzen.
WuKAS (Wissens- und Kompetenzvermittlung im Arbeitsschutz bei Spontanhelfern) ist der Kurztitel des vom BMBF geförderten Projektes, in dem die junge Wissenschaftlerin arbeitet. „Ich plane in Zusammenarbeit mit unserem Projektpartner - dem Malteser Hilfsdienst - die Vorgehensweise des Projektes, erarbeite fachliche Inhalte und koordiniere die Arbeiten der beiden wissenschaftlichen Hilfskräfte. Das ist meine Hauptaufgabe,“ beschreibt sie ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl, mit der auch die Unterstützung bei Lehrveranstaltungen und die Betreuung von Hausarbeiten verbunden sind.
Im Rahmen dieses Projektes hat Bier nun Handlungshilfen für Spontanhelfende in der Corona-Krise erarbeitet.
„Spontanhelfer sind die ganz normalen Leute aus der Bevölkerung“, erklärt sie, „also jeder gemeinnützige Helfer, der keinen „Blaulichthintergund“ hat, der also nicht bei Feuerwehr, THW oder Hilfsorganisationen ist.“ Bei der Hochwasserkatastrophe 2013 wurde das Phänomen „Spontanhelfer“ besonders deutlich. Viele Spontanhelfer koordinierten sich über soziale Medien und halfen ohne Fachkenntnisse oder Arbeitsstruktur bei der Bewältigung der Katastrophe. Und bei WuKAS geht es darum, „dass wir uns mit der Fragestellung beschäftigen, wie schütze ich tausende von Leuten, die keine „Blaulicht“- Ausbildung haben?“ Nicht selten kommen diese Helfer aufgrund ihrer Unerfahrenheit in gefährliche Situationen und seien sich der Konsequenzen in keiner Weise bewusst, betont Bier. „In unserem Projekt versuchen wir den Spontanhelfenden durch Wissen aufzuzeigen, wie man sich richtig verhält und geben den Einsatzkräften gleichzeitig eine Rechtssicherheit in Haftungsfragen.“ Die meisten vorherigen Spontanhelferprojekte beschäftigten sich mit der Organisation und Koordination bei Gefährdungslagen, nicht aber mit konkreten arbeitsschutzspezifischen Fragestellungen vor Ort. „Was machen Führungskräfte vor Ort, die auf einmal hunderte von Leuten haben, die sie selbst nicht kennen? Die müssen entscheiden können, ob sie diese Leute einsetzen können oder wo sie sie nicht einsetzen dürfen. Diesen Organisations- und Führungskräften wollen wir Entscheidungssicherheit geben“, sagt sie bestimmt. Spontanhelfer dürfen von Einsatzkräften nicht als Störer oder gar als Gefahr empfunden werden. Es gebe auch in Bezug auf unsere Corona-Krise Lagen, wo man diese Manpower brauche, die aber nur genutzt werden könne, wenn ausgebildete Einsatzkräfte als Spezialisten fungierten.

Das Schöne in einer schlimmen Situation
„Wir haben so viele Risikogruppen, also Leute mit Vorerkrankungen, die anfällig für den Virus wären oder schwere Verläufe hätten,“ sagt Bier „das können Hilfsorganisationen gar nicht alleine stemmen.“ An dieser Stelle können Spontanhelfer viel bewirken. „Es ist im Moment eine schöne Bewegung zu sehen und zwar, dass sich überall in den Städten sogenannte Nachbarschaftshilfen formiert haben, die mit Aushängen darauf aufmerksam machen, dass sie für Menschen einkaufen gehen oder den Hund Gassi führen würden.“ Egal ob man es Solidarität oder einfach Nächstenliebe nennt, beim Ausmaß dieser Pandemie ist jede helfende Hand gefragt. „Man will ja diese Solidarität in der Gesellschaft, man spricht da auch von einer sogenannten Resilienz. Man will dafür sorgen, dass die Bevölkerung sich auch selbst helfen kann, dass sie in so einer Krise stark ist, und das wollen wir durch solche Handlungshilfen, die wir erstellt haben, vermitteln.“


Welche Handlungshilfen im Coronafall gibt es?
Es gibt zwei Arten von Handlungshilfen. Zum einen gibt es Handlungshilfen, die den Spontanhelfenden allgemeine Hilfen und Hinweise zum Einkaufen gehen oder beim Ausführen fremder Hunde geben. Zum anderen gibt es eine Handlungshilfe die Organisationen unterstützen soll, an sicherheitsrelevante Aspekte beim Einsatz von den Spontanhelfern zu denken.
Die Unterweisung von Spontanhelfern durch die Organisationen sei extrem wichtig, betont die Wissenschaftlerin. „Informiert eure Spontanhelfer und registriert die Leute, damit ihr wisst, wer wo war“, fordert sie. „Spontanhelfer sind meistens, weil sie fürs Gemeinwohl arbeiten, sozialversichert. Also wenn sie für Organisationen oder für Gemeinden arbeiten, fallen sie unter die Sozialversicherung. Und um das hinterher den Unfallkassen glaubwürdig zu machen, hilft es den Spontanhelfenden, wenn sie registriert wurden. In den Leitfäden sagen wir auch, achtet auf die PSNV (Psychosoziale Notfallversorgung).“ Es müsse Einsatzkräften deutlich gemacht werden, dass Spontanhelfende Laien seien, die über keinerlei Vorkenntnisse und Strukturen verfügen.
Für Einkäufer oder Gassi-Gänger heißt das konkret: „Schüttelt euch keine Hände und haltet den zwei Meter Abstand ein.“ Und auch das sollten Helfende bedenken. „Wir raten möglichst nur einem Haushalt zu helfen, da Spontanhelfer ansonsten im schlimmsten Fall den Virus verbreiten.“ Am Beispiel eines fremden Hundes sollte ein Spontanhelfer folgende Fragen vorab klären. Was benötigt der Hund? Wie ist sein Sozialverhalten? Hat er einen Jagdtrieb? Beißt er vielleicht? All diese Fragen dienen letztendlich dem Schutz des Helfenden, der mit einem fremden Tier auf einmal auf sich allein gestellt ist.

Engagierte Bürgerinnen und Bürger
Engagierte Bürgerinnen und Bürger können sich vielfältig betätigen. Viele helfende Gruppen entstünden automatisch, sagt Bier. „Es gibt in fast jeder Stadt Gruppen zur Nachbarschaftshilfe, oft Facebook-Gruppen, es gibt Apps, bundesweit gibt es bspw. die „Quarantäne Helden“ oder „die Einkaufshelden“, eine Initiative der Jungen Union Deutschland. Auch Städte bzw. Gemeinden, Hilfsorganisationen oder Diakonien bieten häufig solche Hilfe an. Da gibt es viele unterschiedliche Gruppen. Online findet man am schnellsten etwas, um sich zu engagieren.“
Die Handlungshilfen für Organisationen und Einzelhelfer finden sich alle auf der Homepage der Sicherheitstechnik www.arbsi.uni-wuppertal.de/de/handlungshilfen-covid19.html und können gerne genutzt werden. Die Hilfsangebote der Uni können zudem auch über Hashtag #sicherhelfen in den sozialen Medien geteilt werden.

Homeoffice: der Arbeitsplatz der Zukunft?
Und wie sieht der wissenschaftliche Arbeitsalltag in Zeiten von Corona aus? „Merkwürdig auf jeden Fall“, konstatiert sie, „die meisten Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Homeoffice, unsere Telefone sind auf unsere Handys umgestellt.“
Und das wird auch sicher noch einige Zeit so bleiben.

Uwe Blass (Gespräch vom 30.03.2020)

Marina Bier studierte von 2013 bis 2019 Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität und schloss mit dem Master ab. Im Fachgebiet Sicherheitstechnik/Arbeitssicherheit -unter Leitung von Frau Prof. Dr. Anke Kahl- arbeitet sie seitdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin und bereitet ihre Promotion vor.
 

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